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POCHEN präsentiert: Columbus 64
POCHEN präsentiert: »Columbus 64« mit Dr. Claus Löser (Filmwissenschaftler & Fachjournalist)
1. Teil von: »Columbus 64« DDR 1966, TV- Vierteiler, Drama, Buch & Regie: Ulrich Thein, Darsteller: Armin Mueller-Stahl, Wolf Biermann, Sepp Wenig u.v.a. Eine Veranstaltung im Rahmen von POCHEN – Tage des Aufbruchs. MULTIMEDIALE BIENNALE
1. Teil von: »Columbus 64« | Eine Veranstaltung im Rahmen von POCHEN – Tage des Aufbruchs. MULTIMEDIALE BIENNALE | DDR 1966 | TV- Vierteiler | Drama | Buch & Regie: Ulrich Thein | Darsteller: Armin Mueller-Stahl, Wolf Biermann, Sepp Wenig, Otmar Richter, Lissy Tempelhof, Günter Grabbert, Erik Neutsch u.v.a. | Georg Brecher, Journalist und Gelegenheits-Schriftsteller, führt eine Reportage in den Uran-Bergbau der Wismut. Unter dem Eindruck der harten Arbeit unter Tage und der Begegnung mit den Kumpeln überdenkt Brecher sein bisheriges Leben | Ulrich Theins Film entstand im Kontext des kulturpolitischen Kahlschlags nach dem 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965, der eine deutliche Zäsur in der Jugend- und Kulturpolitik der DDR bedeutete: zahlreiche Filme, Theaterstücke, Bücher und Musikgruppen verboten- nach einmaliger Ausstrahlung im DDR-FERNSEHEN auch diese Serie. “columbus 64” war eine Fernseherzählung, die die Bemühungen des DFF um die künstlerische Gestaltung gegenwartsnaher Themen fortsetzen sollte. |
Ein einziges Mal lief “Columbus 64” im DDR-Fernsehen. Dass es überhaupt dazu kam, war ein harter Kampf für die Beteiligten. Denn eigentlich zeigt der Film vieles, was der Staatsführung gar nicht gefiel. Kurz vor Weihnachten 1965 platzte Erich Honecker der Kragen. Als Sicherheitssekretär des Zentralkomitees (ZK) der SED redete Honecker beim 11. Plenum des ZK. Honecker wetterte. Er beschimpfte Künstler wie Wolf Biermann, Stephan Heym und Heiner Müller. Schließlich warnte er vor einer “Verrohung der Jugend”, hervorgerufen durch die Unmoral einiger Filme, Fernsehsendungen und Texte. Es bedeutete das Ende einer liberalen Phase ostdeutscher Kulturpolitik. Künstler, deren Meinung der Staatsführung nicht gefielen, wurden nun kaltgestellt.
Wenige Monate vor jener einschneidenden Rede begannen die Dreharbeiten zu dem Fernsehmehrteiler “Columbus 64”. Ursprünglich als eine Art filmisches Denkmal für die Wismut-Bergarbeiter geplant, wurde der Film zum Politikum und verschwand nach einmaliger Ausstrahlung in den Archiven des DDR-Fernsehens.
Heinz Adameck, damaliger Intendant, beauftragte den jungen aufstrebenden Regisseur Ulrich Thein, einen Film über die Wismut zu drehen. 1965 schufteten in Thüringen und Sachsen mehr als 40000 Arbeiter bei Wismut. Ihr Job: Der Abbau von Erz und Uran für sowjetische Atombomben.
Thein fuhr nach Sachsen, um sich vor Ort die Arbeit anzusehen. Der Plan sah vor, den Arbeitsdirektor Sepp Wenig zu porträtieren. Wenig war damals ZK-Mitglied und für seine Tätigkeit vielfach ausgezeichnet. Doch Thein merkte schnell, das ein Porträt über Wenig künstlerisch kaum ansprechend war. Stattdessen schrieb er ein Drehbuch um den fiktiven Berliner Journalisten und modernen Abenteurer Georg Brecher (gespielt von Armin Mueller-Stahl).
“Wartet nicht auf bess\’re Zeiten, wartet nicht mit eurem Mut.” – Wolf Biermann
Schon damit begannen die Probleme. Brecher dürfte für die Staatsführung kaum als gutes Beispiel gedient haben: Ständig pleite, finanziert Brecher sein Leben und seine Liebschaften mit geliehenem Geld. “Kaum ist man hier, machen sie dicht”, schimpft Brecher, dessen Mutter in Hamburg lebt. Für eine Zeitungs-Reportage fährt Brecher zur Wismut und heuert dort aus Geldmangel als Lasterfahrer an. Die Gemeinschaft der Kumpel begeistert Brecher, doch sieht er (und der Zuschauer) auch, wie zerstörerisch die Arbeit sein kann. Ehen zerbrechen, Männer schlagen ihre Kinder, und Trost finden sie nur im Alkohol.
Der Film ist ehrlich und doch voll Zuneigung zu den Personen. Sie alle wirken wie gefangen in ihrer Arbeit, ihrem Leben, ihrem Staat. Doch was die DDR-Zensoren am meisten störte, war eine Person: Wolf Biermann. Wie auch Sepp Wenig oder Erik Neutsch spielte Biermann sich selbst und sang: “Wartet nicht auf bess\’re Zeiten, wartet nicht mit eurem Mut.” Das war zu viel. Alle Szenen mit Biermann mussten raus. Das bedeutete 50 weitere Drehtage. Die endgültige Abnahme des Films erfolgte am Vormittag des Sendetages – damals üblich. Zu kritisch war der Film immer noch, doch für weitere Änderungen war es zu spät. So lief “Columbus 64” einmal und nie wieder.
Nach dem Tod von Ulrich Thein 1995 wurden die geschnittenen Biermann-Szenen unter seinem Bett gefunden. Er hatte sie bis zuletzt bewacht. Ein Glanzpunkt der DDR-Filmkunst, der durch die Angst der Staatsführung fast in Vergessenheit geraten wäre.