Kali Trio [CH] » LOOM «
KALI Trio halten sich auf ihrem neuen Album aus Kategorisierungen heraus. Mit «LOOM» schaffen die drei Schweizer eine Platte, die in ihrer Gesamtheit viele Gegebenheiten radikal hinterfragt und so ganz im Zeichen des Post-Genre-Stils steht.
Auf «LOOM» finden sich zwar «nur» deren vier Stücke. Trotzdem ist die Platte mit ihrer Spielzeit von rund 45 Minuten und dem darauf zu findenden Soundmaterial wahrhaftig imposant geworden. Durch das Verwenden subtiler Wiederholungen und ausgedehnter Zeitspannen evoziert das Material die Mechanik von Trance-Musik. Präzise Überlagerungen, klar gespielte Patterns, vielseitige Sounds sowie Effekte, und eine ureigene Klangkraft sprechen dabei von höchster Handwerkskunst. Im Mittelpunkt steht jedoch immer der Song, der sich prozessartig entwickelt, geschrieben, gedacht und gespielt als Kollektiv. Die spartanisch-anmutende Ästhetik unterstreicht jene Beobachtung, die mehr nach Club denn nach Bühne klingt – ausgeführt mit akustischen Instrumenten. So entfaltet sich ein cineastischer und hypnotisierender Gesamteffekt oder: eine klangliche Dokumentation eines sich entfaltenden Tagtraums.
Auf die Frage nach der Umschreibung ihrer Musik antworteten KALI Trio einst: «Irgendwo zwischen der Prosa von T.C. Boyle und den Traumbildern von Tarkowski.» Das macht Sinn: Einerseits ist «LOOM» ausgefeilt und absurd zugleich geworden. Andererseits steckt in diesem Album eine spirituell-sphärische Tiefe, die nicht mehr kategorisiert werden kann. Und um Musikstile geht’s hier sowieso schon lange nicht mehr. Willkommen im Zeitalter des Post-Genres!
Das aktuelle Album trägt den Titel «LOOM», weiter steuert das Trio Musik zu Thomas Imbachs 2021 erscheinendem Film «NEMESIS» bei. Es wurde nominiert für Solothurner Filmtage 2021 in den Kategorien Bester Dokumentarfilm und Bester Ton.
Assoziationen zur indischen Göttin des Todes und der Zerstörung finden sich bei KALI Trio höchstens noch in der Ekstase. Die entsteht nämlich beim Hören ihrer Musik ziemlich sicher sowie schnell: Raphael Loher (p), Urs Müller (g) und Nicolas Stocker (dr) vereinen präparierte Klaviersounds, Effekt-genährte Gitarrenklänge und Minimal-Drumbeats zu einem modernen, radikalen Post-Genre-Stil, der vom Jazz- bis zum Technoclub überall stattfinden könnte, und eine ungemeine Sogwirkung besitzt. Geschrieben, gedacht und gespielt wird als Kollektiv, als welches sich die drei Schweizer auch verstehen und wo jeder zu gleichen Teilen zur Kreativarbeit beiträgt. Eindrücklich resultierte diese Dynamik auf dem gelobten Debüt «Riot», womit das Luzern-Zürich-Trio Preise gewann plus auf der ganzen Welt Konzerte geben konnte. Noch eindrücklicher entwickelt sich diese Geschichte nun aber dank «LOOM»: das zweite Kapitel eines Musikprozesses, so radikal-ausgedehnt wie intentioniert-ambitioniert, und einem Mantra gleich.