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So. 12.11.2023 20:00 Uhr

Zwitschermaschine »System for Us« [20231112]

Selten deutet ein Bandname derart genau die unter seinem Signum veröffentlichte Musik. Im Jahr 1922 schuf Paul Klee sein gleichnamiges Bild: Auf einer waagerechten, mit einer Kurbel versehenen Stange sitzen vier Vogelindividuen. Mit weit aufgerissenen Schnäbeln und gereckten Hälsen blicken sie in verschiedene Richtungen. Die Freiheit des Gesangs trifft auf die Disziplin der Mechanik.
Das Debütalbum von Mark Weschenfelders Zwitschermaschine hat einen vollkommen eigenständigen Charakter. Krautrock, Psychedelisches, Ambient, Groove und Post-M-Base schimmern durch. Doch es bleibt etwas unverwechselbar Eigenes im losgehenden Fluss der Ereignisse. Man hört etwas Fremdes, doch während man das tut, wird es immer vertrauter. Die Musik ist so originell wie das Bild. Auf unorthodoxe Weise wird der Bandsound von zwei Flöten bestimmt, die neben, mit oder vor Saxofon, Posaune, Gitarre, Bass und Schlagzeug flirren, glitzern, zwitschern…
Weschenfelders Kompositionen sind von immenser Beweglichkeit. Auch die frei improvisierte Musik hat ihre Klischees, doch Mark Weschenfelder umgeht sie. Seine Septettmusik besticht mit Drive und geheimnisvollen Klangarchitekturen, die sich beim Hörer einfräsen. Für ihre Entfaltung braucht dieser Melange aus Jazz, Progressivem Rock und Neuer Musik mit ihren Differentialtönen immense interpretatorische Genauigkeit. Doch bewahren die Stücke bei aller Disziplin Spontanität und Frische. Viele kleine Reibeflächen sorgen dafür, dass diese Musik nichts Steriles hat. 
„System for Us“ bündelt sieben Individualisten in einem großen, kompakten und gemeinsamen Klang, kleine Solos inklusive. Anklänge an Steve Lehman, Henry Threadgill oder Steve Coleman scheinen auf, doch haben Weschenfelders Stücke nichts Epigonales. Der Titel mischt die Buchstaben der Komposition „Four Systems“ des Amerikaners Earle Brown und illustriert die Nähe zur Neuen Ernsten Musik. Doch bleiben Sinnlichkeit und Emotionalität des Jazz, wenn der Komponist hier Sprache vermittels des internationalen Morsealphabets auf Musik überträgt und Taktstrukturen aus kurzen und langen Morsetönen entstehen lässt. Das Resultat ist etwas verblüffend Neues, ist intensiv, druckvoll und nicht nur der originellen Instrumentierung wegen so innovativ.

LineUp:

mark weschenfelder – alto, klarinette, komposition
paul berberich – flöte, alto
vincent bababoutilabo – flöte, altflöte
johannes lauer – posaune
florian kästner – fender rhodes
andris meinig – kontrabass
florian lauer – schlagzeug
jan-einar groh – modulare synthesizer