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Sa. 23.11.2019 21:00 Uhr

DRAHTHAUS (WIEN) [20191123]

Drahthaus ist ein Live-Elektronik Quartett aus Wien.

2017 ließen sie mit ihrer Debüt-EP “room one” ein erstes Mal aufhorchen. Seit 2015 macht es sich die vierköpfige Band zur Aufgabe, die Produktionsprozesse elektronischer Musik durch eine auditiv-visuelle Liveshow darzustellen. Haptik und Virtualität verbinden sich in einer produktiven Symbiose. Ermöglicht wird dies durch ein ausgeklügeltes, sich ständig veränderndes Setup, bestehend aus zwanzig Instrumenten und Alltagsgegenständen, Loops und Effekten. Verbunden via LAN, mehr als 200 Metern Kabel und über Ableton-Live angesteuert, entspinnt sich daraus der Sound von Drahthaus. Ebenso facettenreich wie das bespielte Setup, entwickelt sich ihr eigener Stil: Experimentell sowie beatlastig, spannt sich ein Bogen von Techno hin zu Jazz, angereichert mit einer Prise Pop. Um die Band gruppiert sich ein gleichnamiges Kollektiv, das in den Bereichen Kunst, Technologie, Medien und Gesellschaft wirkt.

NOTCH (official Video)

Seit 2015 gibt es Drahthaus als Band nämlich schon und ich habe mir sicher den halben Abend den Kopf darüber zerbrochen, wie es kam, dass ich bis dato nichts von den vier Talenten auf der Bühne gehört habe, geschweige denn vom gleichnamigen Kollektiv, das sie parallel dazu auf die Beine gestellt haben. Das war Grund genug für mich, der Boyband der etwas anderen Art ein paar Fragen zu stellen und zu erforschen, ob Kreativität auch irgendwann ein Ende hat. Aber der Reihe nach:

Hans, Ludwig, Simon und Valentin haben Drahthaus 2015 gegründet. Kennengelernt haben sie sich an der Musikuni oder durch die übliche Südtiroler Dorffreundschaft. Anfänglich haben sie noch mit insgesamt zwei bis drei Instrumenten über elektronische Backingtracks gespielt, heute spielt jeder einzelne von ihnen mindestens drei Instrumente (dazu kommen dann noch Gartenschläuche, Käsereiben und andere Gerätschaften, die ich aus Gründen nicht als Instrumente bezeichnen würde.) Und die Leidenschaft ihres Tuns merkt man ihnen nicht nur bei ihrem eigenen Set an. Alleine das pipifein kuratierte LineUp der Releaseshow spricht Bände. Eingeladen waren unter anderem Ant Antic und Tetra Pak, den man noch von den legendären Techno Sonntagen (RIP) kennt. Dadurch zeigt sich auch deutlich, welchen Zuspruch das Projekt in der Szene bekommt.

Gerade ihre ersten Videos wie “Notch” oder die sommerliche Gartensession wecken die Assoziation von einem Diplo-Remix einer Stomp-Show. Aber Drahthaus gehen weiter – sie spielen alle ihre Tracks live. Die unglaublich komplizierte Antwort auf die Frage, wie zur Hölle es funktioniert, ein solches Set live einzuspielen, zu loopen und mischen, erspare ich euch an dieser Stelle. Soviel sei aber gesagt: Meine Reaktion war so etwas wie “Fuck, ich verstehe kein Wort und überhaupt klingt das nach einem Mordsaufwand”, was Simon, der Komposition studiert, mit einem schlichten “ist es tatsächlich” beantwortete.

Mittlerweile hat sich rund um die Band ein Kollektiv aus Tontechnikern, Designern, Filmern und anderen Kreativen gebildet, das 15 Personen umfasst. Was für ein enorm kreatives Potential in diesem Kumulus vereint wird, konnte man als Besucher der Releaseshow am eigenen Ohr erfahren, beziehungsweise selber “programmieren”. Die Rede ist vom hauseigenen (pun so was von intended) Jamtable, der einer der Mittelpunkte des Flex Cafe war. Funktioniert hat das Ganze folgendermaßen: Auf einem Schachbrettähnlichen Tisch schiebt man kleine Holzhäuser auf den Feldern hin und her und kann damit Samples aus Drahthaus-Tracks ein- oder ausschalten. In den Kopfhörern hört man seine Komposition in Echtzeit und kann sich für einen kurzen Moment (kurzer Moment bedeutet in diesem Fall, dass ich mich für ca eine Viertelstunde reingeflasht habe) wie ein Bandmitglied fühlen.

Derzeit arbeiten die vier Musiker mit Hochdruck an neuen Konzepten, Videos und Sounds aus Gegenständen, die bei ihnen “im Haus herumliegen”. Was genau uns dabei erwarten wird, wollten sie allerdings noch nicht verraten. Fest steht, dass wir in Zukunft noch einiges von den Jungs hören werden, deren Instrumentarium sich länger liest als die Filmografie von Fritz Lang.

Von Sandro Nicolussi [ noisey ]